Der Folgende Text ist ein Auszug aus unserem Vortrag im Rahmen des Moduls Planen im Bestand.
Man nähert sich der Kapelle über einen gewundenen Weg, den man serpentinenartig beschreitet. Der Weg ist so angelegt, dass man als Besucher das Auto an einem tiefer gelegenen Parkplatz stehen lässt, um sich zu Fuß dem Bauwerk zu nähern. Während dieser Erfahrung nimmt man die Kapelle zuerst als breiten Monolithen wahr, der sich während des allmählichen Perspektivwechsels in eine schmale Form zu verwandeln scheint. Schließlich wirkt die Ansicht wie ein verschlossener Turm. Als dieser steht die Kapelle in der Landschaft und ist schon von weit her gut sichtbar. Die Form der Grundfläche und die Stampfbetonlagen werden erst beim näherem Betrachten deutlich. Die Stampfbetonfassade wirkt nicht, wie man vielleicht vermuten würde abweisend und fremd, sondern durch die beige-braune Farbe des regionalen Sandes „ergänzt“ sie die Landschaft auf eine sehr harmonische Weise. Schon die unmittelbare Umgebung der Kapelle schafft einen Raum mit angenehmer Atmosphäre, dessen Nutzung der Besucher wie von Zumthor beabsichtigt zu einem Teil durch sein Verhalten selbst bestimmt. Der vorspringende Sockel trägt seinen Teil dazu bei, indem er eine Sitz- und Aufenthaltsgelegenheit bietet und dabei einen gedanklichen Übergang zwischen dem „Außen“ und dem „Innen“ schafft. Er ist eine Einladung, als Ort des Nachdenkens und Verweilens genutzt zu werden und bietet tiefe Ausblicke in die Landschaft der Eifel. Nach eigenen Aussagen hat Zumthor mit seiner Kapelle in der hügeligen, Wald- und Wiesenlandschaft den Raum definiert, erst dadurch gebe es ein oben und unten, ein Rechts und Links. Man betritt das monumental erscheinende Bauwerk durch eine dreieckige Stahltür. Der Innenraum ist laut Aussage Zumthors sehr existenziell. Der Blick gleitet sofort entlang der konisch zulaufenden Wände nach Oben zum Himmel, der durch die Öffnung sichtbar wird. Auf einen Wetterschutz wurde bewusst verzichtet, hineinfallendes Regenwasser sammelt sich auf dem Zinnboden, der in seiner Materialität an die alten Bleibergwerke der Region erinnert. Die Wände lassen erahnen, wie die Kapelle konstruiert wurde: Auf dem sehr kleinen, fünfeckigen Grundriss wurde zuerst das zeltartige Schalungsgerüst aus 120 Fichtenstämmen gebaut. Um diese herum wurden die Stampfbetonschichten von jeweils ca. 50cm Höhe als Tagwerke bis zur Gesamthöhe von etwa 12 Metern eingebracht. Diese Stampfbetonbauweise hat lokale Tradition in der Eifel und war noch bis in der 50er Jahre hinein dort weit verbreitet. Diese Bauart wurde jedoch auch dem Wunsch der Bauherren gerecht, möglichst viel selbst und mit Hilfe von Familie, Freunden und Nachbarn mit den eigenen Händen zu bauen. Die Bauherren, das waren der ortansässige Landwirt Scheidtweiler und seine Frau, wollten zum Dank für ihr langes Leben auf ihren Feldern eine Kapelle, zu Ehren des Bruder Klaus errichten, der im 15.Jhd in der Schweiz lebte und durch sein Wirken den Weiterbestand des schon damals 200 Jahre alten Bundes der Eidgenossen sicherte. Aus diesem Grunde war Bruder Klaus auch einer der Lieblingsheiligen der Mutter Zumthors. Als den weltberühmten Schweizer Architekten der Brief der Bauernfamilie mit der Anfrage, eine Kapelle zu Ehren des Bruder Klaus zu errichten, erreichte, stimmte er spontan einem Treffen zu. Als auch dieses positiv verlief, sagte Zumthor zu und begab sich an die letztlich acht Jahre lang dauernde Planung der Kapelle. Das übliche Honorar des Schweizer Stararchitekten konnten sich die einfachen Bauern aus der deutschen Provinz natürlich nicht leisten. Dennoch ließ der Architekt sich auf dieses ungewöhnliche und wundervolle Vorhaben ein und übernahm die Planung für ein symbolisches „Trinkgeld“. Der bekannte „Zumthor-Perfektionismus“ fehlte natürlich auch bei diesem Projekt nicht: Wie schon bei den Fundamenten, die mehrfach neu geschalt werden mussten, reiste Zumthor auch am Tag des Einbringens der letzten Betonschicht zur Baustelle an, um persönlich die Arbeiten am oberen Gebäudeabschluss zu überwachen. Dabei ließ er es sich auch nicht nehmen, beim letzten Tagwerk mitzuhelfen, indem er dort selbst die Maurerkelle ergriff und mit Hand anlegte. Die Fichtenstämme wurden anschließend durch ein mehrere Wochen lang glühendes Mottfeuer verbrannt, sodass die schwarze Rußfärbung im Innenraum zurückblieb. Selbst die Löcher der Schalanker finden bei Zumthor eine sinnvolle Funktion; indem sie mit Metallrohren ausgekleidet wurden, lenken sie sehr dosiert Tageslicht durch die massiven Außenwände, welches sich im Innenraum in mundgeblasenen Glaskugeln zentriert. Von Innen betrachtet, erinnert diese Wand an einen nächtlichen Sternenhimmel. Mit diesen Mitteln vollbrachte der Architekt das Kunststück, einen kleinen Raum zu schaffen, der – das können wir nun aus eigener Erfahrung bestätigen – dennoch nicht beengt.
Wer sich für die Architektur Zumthors interessiert, dem Sei das Hörbuch „Peter Zumthor. Die Magie des Realen“ ans Herz gelegt. Dieses war unter anderem eine hilfreiche Grundlage für den Vortag und ist absolut empfehlenswert.